Vom Hochalmsee über den Westgrat Schwierigkeit: WS+
Der Zaubernock, der auch Zauberernock genannt wurde, erweckt bei Menschen wie mir allein schon durch seinen Namen Interesse. Was hat er wohl zu bedeuten? Die verstorbene Bergsteigerin und Tauernexpertin Liselotte Buchenauer konnte sich auch keinen anderen Reim darauf machen als eben die Vermutung, dass es in der Umgebung – zum Beispiel im Maltatal - eine Sage geben müsse, in der diese Berge mit einem Zauber oder einem Zauberer verbunden waren. Sind die auffälligen Gipfeltürmchen des Berges vielleicht verzauberte Personen? Leider hat meine Recherche dazu keine weiteren Informationen ergeben.
Der Zaubernock (2944 m) ist nach dem Reißeck (2965 m) der zweithöchste Berg der Reißeckgruppe. Der Berg hat einen interessanten und schönen Normalweg von Westen, den ich am 23. Juni 2020 nach einer Übernachtung in der Oberen Mooshütte (Selbstversorgerhütte) kennen lernte und den ich hier vorstelle. Es ist eine unmarkierte Route, die aber bei gutem Wetter keine großen Orientierungsprobleme verursacht. Bis in eine Höhe von mehr als 2800 Metern hat man es mit recht gut gangbarem Gelände zu tun (Plateaus, Moränen, mäßig steile Firnfelder), zumindest im Frühsommer. Im Hochsommer wird man es auch mit mehr oder weniger stabil gelagertem Blockschutt zu tun bekommen. Oberhalb einer Höhe von circa 2850 Metern begeht man dann den landschaftlich großartigen und sehr aussichtsreichen Westgrat des Zaubernocks. Den Blick fesseln Hochalmspitze, Tristenspitze und die Ritterspitzen, auf der Nordseite des Grates schwitzt der letzte Gletscherrest der Reißeckgruppe, das Schwalbenkees. Schließlich erreicht man die Gipfeltürme des Zaubernock.
Es folgt ein Finale, das es in sich hat. Wie bereits aus dem Riekental und sogar von noch weiter entfernten Punkten aus zu erkennen ist, löst sich der Gipfel in drei einzelnstehende Türme auf (in Wahrheit gibt es vier bis fünf). Der aus Sicht des Normalweggehers „erste“ Turm - man könnte ihn den nordwestlichen Turm nennen – ist von seiner Rückseite schnell erklettert (wenige Meter im 1. Grad). Auf dem schmalen Gipfelchen erkennt man allerdings, dass man sich nur auf dem zweithöchsten Punkt des Zaubernocks befindet. In Wurfweite entfernt steht das Kreuz auf dem „dritten“ Turm, dem Hauptgipfel. Er ist der südöstlichste der drei Türme und knapp einen Meter höher als der Nordwestturm. An ihm habe ich mir die Zähne ausgebissen, ohne ihn zu erreichen. Das ist für ausreichend schwindelfreie Bergsteiger, die eine kleine Mutprobe nicht scheuen, aber vielleicht zu schaffen – mit oder ohne Seil. Nachdem ich die Hälfte der etwa 11 Meter auf den Hauptgipfel geklettert (und den Rest in Augenschein genommen) habe, kann ich mitteilen, dass die Schwierigkeiten im zweiten Grad bleiben (maximal 2+), der Fels sehr gut ist und die Kletterei schön und einprägsam. Aber Höhenschwindel kann man hier nicht gebrauchen, schon gar nicht derjenige, der beabsichtigt seilfrei wieder abzusteigen und der die Tiefblicke ertragen muss. Das bewog mich zum Umkehren. Ob man wohl vom Gipfel(kreuz) abseilen kann? Ich weiß es leider nicht.
Sicher bin ich mir allerdings darin, dass sich der Zaubernock auch ohne den Hauptgipfel lohnt und vielleicht sogar begeistert! Wer nur den nordwestlichen Gipfel (circa 2943 m) besteigt, bewegt sich im Schwierigkeitsgrad T4 („Alpinwanderung“). Man benötigt in diesem Fall absolute Trittsicherheit und gute hochalpine Erfahrung für Firn, Blockhalden und Kletterstellen im 1. Grad.